Rudolf Oeser:
Die Arapaho-Indianer. Bisonjäger der Plains.
BoD – Books on Demand, Norderstedt, 2022 240 S., zahlreiche Abbildungen und
Übersichtskarten ISBN 978-3-7568-1751-1 Ladenpreis: 22,00 €
Rezension von Peter Bolz in der Zeitschrift Amerindian Research 2023-02:
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine Stammesmonographie im
besten Sinne des Wortes. Als Grund, sich speziell mit den Arapaho zu
beschäftigen, nennt Oeser in seiner Vorbemerkung, dass diese in der
populärwissenschaftlichen Literatur "weitgehend ignoriert und ins Dunkle
versetzt" wurden. Der Autor verfolgt somit die Absicht, Kultur und Geschichte
der Arapaho für ein deutsches Publikum anschaulich und umfassend zu erhellen.
Allein die ersten Kapitel zu Herkunft, Sprache und früher Geschichte der
Arapaho sind eine Fundgrube an Detailwissen, die man jedem "Indianerfreund" ans
Herz legen möchte, der noch immer glaubt, die Indianer der Prärien und Plains
hätten jahrhundertelang friedlich und im Einklang mit der Natur gelebt, bis die
Europäer kamen und sie aus diesem Paradies vertrieben haben. Die Realität der
frühen Wanderungen und intertribalen Kämpfe um die besten Ressourcen sah jedoch
ganz anders aus! Und nebenbei erfährt man noch, dass das berühmte Fort Laramie
nach dem französischen Pelzjäger Jacques La Ramie benannt wurde, der 1821 dort
in der Nähe von Arapaho getötet wurde.
Da zu den Arapaho glücklicherweise
eine umfangreiche englischsprachige Literatur vorliegt, zu deren Autoren
Klassiker wie George A. Dorsey und Alfred L. Kroeber gehören, besitzt Oeser sehr
verlässliche Grundlagen zur Darstellung der sozialen Struktur, der Ökonomie und
der Religion der Arapaho. Dazu sei bemerkt, dass die jeweiligen Autoren ihre
Berichte auf der Grundlage der so genannten "Memory Ethnology" abgefasst haben.
Das heißt, sie haben in der frühen Reservationszeit vorwiegend ältere Leute
(meist Männer) nach dem "traditionellen" Leben ihrer Vorfahren befragt, um damit
einen Ausschnitt aus einer Zeit festzuhalten, der vermeintlich der
voreuropäischen Lebensweise dieser Menschen entsprach, bevor ihre Kultur vom
Eindringen der Europäer dramatisch verändert wurde. Vor allem die Mythologie und
das religiöse Brauchtum, in dessen Mittelpunkt der Sonnentanz steht (von den
Arapaho als "Offerings Lodge" bezeichnet), wurde dabei in allen Einzelheiten
festgehalten. Gleichzeitig wurden umfangreiche Sammlungen ihrer materiellen
Kultur angelegt, die sich heute in den großen Museen für Natur- und
Kulturgeschichte der USA befinden.
Den größten Raum in Oesers Monographie
nimmt verständlicherweise die Geschichte der Arapaho von den ersten Begegnungen
mit den weißen Einwanderern bis zum Ende des 20. Jahrhunderts ein. Bereits in
seinem Vorwort hatte Oeser betont, dass die Arapaho keine Erinnerung an die Zeit
haben, bevor sie in den Besitz von Pferden gelangten. Daher beginnt ihre
früheste Geschichte erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit den Berichten der
ersten Pelzhändler. Dabei durchleuchtet Oeser die Beziehungen zu den
Einwanderern, die mit den USA geschlossenen Verträge und die getrennten Wege der
Southern und der Northern Arapaho in ihre jeweiligen Reservationen. Dazu hat
Oeser sehr anschauliche Karten beigefügt, die die historischen Ereignisse
verdeutlichen.
Viele Darstellungen zur indianischen Geschichte enden mit dem
Beginn des Reservationsdaseins, doch dabei wird vergessen, dass die
Reservationszeit inzwischen mehr als 150 Jahre andauert, länger als die so
"abenteuerlichen" kriegerischen Auseinandersetzungen auf den Plains. Und jede
Reservation besitzt ihre eigene, unverwechselbare Geschichte, so auch die der
beiden getrennten Arapaho-Gruppen, die von Bisonjägern zu Landwirtschaft
betreibenden Farmern umerzogen werden sollten. Diese strikten ökonomischen
Veränderungen führten zu einer Protesthaltung, die sich um 1890 im Geistertanz
entlud. Die Northern Arapaho, die sich gemeinsam mit den Shoshone auf der Wind
River Reservation in Wyoming ansiedelten, gerieten in Fragen der Landaufteilung
mit ihrem Nachbarstamm in Konflikt, während die Southern Arapaho in Oklahoma das
Problem der Auflösung ihrer Reservation im "Indian Territory" zu bewältigen
hatten.
All diese gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen
schildert Oeser sehr detailliert, wobei der Zweite Weltkrieg nochmals
entscheidende Veränderungen mit sich brachte. Der Vergleich zwischen Southern
und Northern Arapaho zeigt, dass die traditionellen Aktivitäten in Oklahoma
weitgehend verschwunden sind und sich lediglich noch auf Powwows beschränken.
Daher reisen viele traditionell orientierte Arapaho im Sommer auf die Wind River
Reservation, um am Sonnentanz ("Offerings Lodge") der Northern Arapaho
teilzunehmen, der seit der "Retraditionalisierung" von religiösen Zeremonien in
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen steten Zulauf zu verzeichnen hat.
Oeser hat mit seinem Buch eine sehr detailreiche und trotzdem gut lesbare und
verständliche Stammesmonographie vorgelegt, die die weit verstreuten
amerikanischen Quellen übersichtlich zusammenfasst und damit für deutsche Leser
auf vorbildliche Weise zugänglich macht.
Auszug aus einer Rezension von Diemar Kuegler, Magazin für
Amerikanistik, Heft 4/2022, S. 24:
"... Rudolf Oeser hat sich in
den letzten Jahren als Kenner der Plainsindianerkultur einen Namen gemacht.
Schon der strukturelle Aufbau seines Buches zeigt eine sorgfältige Beschäftigung
mit dem Thema und sein Bemühen, der immer wieder übersehenen Bedeutung der
Arapaho entgegenzutreten und ihrem Beitrag zur Plainskultur Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen. Dieses nun vorliegende Buch soll die entstandenen Lücken
schließen. ... Von der Schöpfungsgeschichte bis ins 20. Jahrhundert hat Oeser
den Weg der Arapaho penibel dokumentiert. Er hat eine hervorragende Arbeit
geschaffen, die man nur mit Gewinn lesen kann. Eines der besten Indianerbücher
seit Jahren. Sehr empfehlenswert."
AmerIndian Research
www.amerindianresearch.de